Es gibt Diskussionen, bei denen man sich fragt: "Haben die wirklich darüber nachgedacht?"
Genau so fühlt sich die aktuelle Debatte über den sogenannten Karenztag an.
Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender der Allianz, meint, Arbeitnehmer*innen sollten am ersten Krankheitstag
auf Lohn verzichten. Warum? Weil, so seine Logik, wir alle nichts anderes im Kopf haben, als uns auf der Couch
zu räkeln und Serien zu bingen, statt zu arbeiten.
Aber Moment mal – faulenzen wir wirklich? Oder wäre ein Karenztag schlichtweg unfair und kurzsichtig?
1. Krankheit ist keine Entscheidung, sondern Pech
Niemand wacht morgens auf und denkt: "Heute wäre ein perfekter Tag für eine Erkältung!"
Krankheiten kommen plötzlich und ungefragt – genauso wie Rechnungen, die trotzdem pünktlich bezahlt
werden müssen. Einen Karenztag einzuführen würde Menschen mit ehrlicher Krankheit doppelt bestrafen:
Erst leiden sie unter Schnupfen, Fieber oder Magenkrämpfen, und dann fehlt auch noch das Geld.
Beispiel gefällig?
Stell dir vor, du bist Verkäufer*in, stehst den ganzen Tag auf den Beinen und bekommst Grippe.
Solltest du wirklich darüber nachdenken müssen, ob du dich ins Bett legst oder mit 40 Grad Fieber
an die Kasse schleppst, weil sonst am Monatsende die Miete nicht bezahlt wird?
2. Wer macht wirklich „blau“?
Die Vorstellung, dass ein Großteil der Arbeitnehmer*innen am Montagmorgen denkt:
"Heute mal Netflix statt Arbeit!", ist absurd. Studien zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist:
Viele Menschen schleppen sich krank ins Büro – Stichwort Präsentismus. Warum?
Weil sie Angst vor genau solchen Vorwürfen haben.
Praktisches Beispiel:
Die Kollegin im Großraumbüro schnieft und hustet sich durch den Tag. Zwei Wochen später liegt die
halbe Belegschaft flach. Herzlichen Glückwunsch! Die "Produktivität" ist dann wirklich durch die
Decke gegangen – nur eben negativ.
3. Kurz gedacht: Wer zahlt die Zeche?
Oliver Bäte mag sich freuen, wenn er mit einem Karenztag ein paar Euros spart. Aber die wahren Kosten
landen woanders: Bei den Krankenkassen, die mehr Langzeiterkrankungen behandeln müssen, oder bei den
Betrieben, die durch Infektionskrankheiten mehr Ausfälle haben.
Humorvolle Überlegung:
Wenn wir uns dem Logikfehler von Herrn Bäte anschließen, könnten wir doch auch vorschlagen, dass
Manager*innen für schlechte Entscheidungen ihren Bonus abgeben. Oder?
4. Solidarität statt Misstrauen
Der Karenztag basiert auf einem Grundgedanken: Misstrauen. Arbeitgeber*innen unterstellen ihren
Mitarbeitenden, dass sie faul sind und das System ausnutzen. Aber was wäre, wenn wir stattdessen auf
Vertrauen und Solidarität setzen?
Eine Gesellschaft, die füreinander einsteht, ist erfolgreicher – das zeigen Länder wie Schweden
oder Dänemark, wo soziale Absicherung kein Luxus ist.
Schlusswort: Krank? Kein Fall für den Karenztag!
Die Diskussion um den Karenztag ist nicht nur unfair, sondern auch kurzsichtig und unsolidarisch.
Es wäre klüger, Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit zu geben, gesund zu werden, ohne finanzielle Angst
zu haben. Schließlich profitieren am Ende auch die Unternehmen davon, wenn ihre Mitarbeitenden fit
und motiviert zur Arbeit kommen.
Lieber Herr Bäte, falls Sie mal krank werden, empfehle ich Ihnen einen entspannten Tag
auf der Couch – mit einer guten Serie. Und vielleicht mit einem Buch über Arbeitsrecht. 😌